pressetexte
Christoph Tannert
Katalogtext zur Ausstellung "Schwerer werden Leichter Sein“,Sept 2000;
Ganz gleich, was von Waberer in Szene setzt, ob sie eine Kette blauer Müllsäcke in lichter Höhe über ein Ruinengrundstück spannt (1998) oder einem ihrer Lieblingslatexobjekte mit dem Fahrrad und Huckepack die Welt zeigt ("The Hunting of the Snark", 1998), stets arran-giert sie eine Wahrnehmungsverschiebung, mit der sie an die Sinne, insbesondere den Tastsinn und die Raum-Zeit-Erfahrung der Betrachter und/oder Mitakteure appelliert, aber auch an den Sinn, den eine angenehm weiche, nichtdominante Form der menschlichen Erfahrung gibt.
Die Qualität ihrer Werke besteht in einer hintersinnigen Verunsicherung. Selbstbezüglichkeit ist Trumpf. Jedes Latex-Teil ist, was es ist. Individueller Seelenton wird absichtlich vermieden (Gefühl aber keineswegs ausgeschlossen). Wenn sich irgendetwas baucht und wölbt, dann aus ästhetischer, weniger aus psychischer, kognitiver oder sozialer Erweckung.
Was eine immer schon einschlägig disponierte Wahrnehmung in die Figuration hineinsieht, kann erfahrungsgemäß schwer korrigiert werden. Deshalb sollte man den zwar unübersehbaren, aber doch eindimensionalen Aspekt von "Leiblichkeit" nur als reflexiven Einstieg denken und sich dann eher der Kunst als vielschichtiger Textur zuwenden
.Mit Hilfe von "Packs", "Tag-a-longs" oder "Snarks" wird das Publikum in eine Beziehung hineingezogen, in der es sich, ansonsten häufig grenzwertig lebensuntüchtig, in hundertprozentig funktionslosen Objektverhältnissen neu beweisen kann. Belastet oder unbelastet, platziert oder deplatziert besteht die Möglichkeit, sich mit dem Fake-Gepäck auf eine Kuschelreise ins Über-Ich aufzu-machen oder einer über die Fingerspitzen vermittelten Sehnsuchtsperspektive hinzugeben, deren Erfüllungsort nicht zwangsläufig der Ausstellungsort sein muss.